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Die Demütigung ist die bösartigste Kränkung

Die Demütigung ist die tiefste, bösartigste und folgenschwerste Form der Kränkung. Sie ist Entwertung, Verletzung, Beschämung und Diffamierung in einem. Reinhard Haller fügt hinzu: „Sie ruft Gefühle der Scham und Hilflosigkeit, der ohnmächtigen Wut und Verzweiflung, ja der totalen Erniedrigung hervor.“ Im Gegensatz zum sonstigen Kränken, welches dem Kränkenden unbeabsichtigt passieren kann, ist sie Ausdruck einer gezielten Aggression, einer bewussten Bloßstellung, einer geplanten Entwürdigung anderer. Dahinter steckt immer eine böse Absicht, nicht nur eine Nachlässigkeit oder Unbedachtheit. Demütigungen sind offen und auf die äußere Person gerichtet, Kränkungen sind versteckter und entwickeln sich eher nach innen. Demütigungen haben aggressiv-sadistischen Charakter, Kränkungen sind subtiler und verhaltener. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Bei einer Demütigung ist das Opfer wehrlos

Nach der Definition von Evelin Gerda Lindner (2005), die sich als eine von wenigen Wissenschaftlern mit der Demütigung befasst hat, ist diese eine „erzwungene Erniedrigung eines Menschen oder einer Gruppe, ein Prozess der Unterwerfung, der den Stolz, die Ehre und Würde des Opfers verletzt oder vollständig raubt“. Das Kernelement der Demütigung sieht Evelin Gerda Lindner im erniedrigenden Verhalten gegenüber anderen, im „nach unten drücken“ und „nach unten halten“.

Reinhard Haller stellt fest: „Nach einer anderen Auffassung wird die Demütigung in einer anarchistischen Definition als Einschränkung der individuellen Autonomie, nach stoischer Auffassung als Einschränkung einer Person in ihrem Denken beschrieben.“ Das Wesen der Demütigung liegt im bewussten Hinunterdrücken und Niederhalten eines anderen, im Hineinzwingen des Opfers in einen Zustand der Wehrlosigkeit und Passivität. Die Demütigung bringt den Menschen in eine hilflose Position, in der er einem übermächtigen Feind völlig ausgeliefert ist. Gegen Kränkungen kann man sich wehren, kann man mit Gegenaggressionen oder Rache reagieren.

Die Demütigung ist eine ultimative Traumatisierung

Bei der Demütigung ist man ohne Chance. Sie verletzt nicht nur Stolz, Ehre und Würde, sondern bringt die Opfer in eine Situation, die tiefer angesiedelt ist, als dies je erwartet wurde. Demütigung ist die durch Hilflosigkeit potenzierte Kränkung, ein beschämendes Ausgeliefertsein, eine ultimative Traumatisierung. So gibt es für den Gedemütigten nur noch zwei Gefühle: jenes der Scham und der ohnmächtigen Wut. Die Demütigung gehört zur psychischen Konstellation des Bösen.

Reinhard Haller erläutert: „Versucht man die wesentlichen Elemente des Bösen zu beschreiben oder – um es etwas geheimnisvoller auszudrücken – den Code des Bösen zu entschlüsseln, so erweisen sich sadistische Aggressionen, maligner Narzissmus, Empathiemangel, einseitige Machtverteilung, Planungsgrad der bösen Tat, Folgen für das Opfer und Missachtung des Moralinstinkts als die wesentlichen Komponenten.“ Vieles davon ist in der Demütigung enthalten, vor allem die aggressiv-sadistische Motivation, die fehlende oder unterdrückte Empathie sowie die die Ohnmacht des Opfers und den Machtrausch der Täter bedingende Hierarchie. Quelle: „Die Macht der Kränkung“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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